Wenn Holz als Geige erwacht

Ihre erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1534, die unveränderte Form des Instruments ist seit etwa 1540 bekannt und stammt aus Oberitalien. Seitdem hat sich kaum etwas an dem Herstellungsprozess einer Violine geändert. Judith Marie Huppertz und Christoph Verstraeten (Huppertz & Verstraeten GbR, Meisteratelier für Geigenbau) verwandeln Holz in Musik. Daran lassen die Geigenbauer aus Aachen die Besucher des Flachsmarktes von Samstag, 8., bis Montag, 10. Juni, teilhaben.

„Im Geigenbau wird noch vieles so gemacht wie schon vor fünfhundert Jahren“, bestätigen Judith Marie Huppertz und Christoph Verstraeten. Das trifft auf die Form des Instruments ebenso wie auf die Fertigungsweise zu.  Dennoch ist der Geigenbau nicht aus der Zeit gefallen; hier trifft uraltes Handwerk auf High-Tech: Denn in Wissenschaft und Expertise rund um das Saiteninstrument kommen CT-Scans, Dendrochronologie (Jahresringforschung), Infrarotspektroskopie oder Röntgenspektroskopie zum Einsatz. Daneben erfordert das Handwerk auch Musikalität. „Die Vorstellung davon, wie ein Instrument klingen soll, wenn es fertig ist, leitet uns beim Bau“, erläutern die 32-Jährige und ihr Partner. Beide haben über die Musik zusammengefunden.

Huppertz und Verstraeten haben bereits als Kinder musiziert, und tun dies bis heute mit Leidenschaft. Ebenso fasziniert wie von der Musik zeigten sie sich von der Handwerkskunst des Geigenbaus. Aus „ein paar Stücken Holz“ ganz ohne Einsatz von Technik ein Instrument zu schaffen, dessen Klang die Zuhörer verzaubert und riesige Konzerthallen füllt, ist für die Experten aus Aachen nach wie vor ein kleines Wunder. „Dass ein solches Instrument zudem mehrere Jahrhunderte überdauern kann, ist umso erstaunlicher“, findet Huppertz, die sich auch für die Geschichte und „Geschichtchen“ rund um die alten Instrumente interessiert.

Judith Marie Huppertz hat ihre Ausbildung ebenso wie Christoph Verstraeten an der Internationalen Lutherie School in Antwerpen absolviert. Im Jahr 2018 folgte für sie die Meisterprüfung in Mittenwald. Direkt im Anschluss an ihre Ausbildung war die Aachenerin in einer renommierten belgischen Werkstatt tätig und hat sich auf die Restauration von sehr alten und zum Teil sehr kostbaren Streichinstrumenten spezialisiert. Eine Arbeit, die neben einem Höchstmaß an Präzision und Handwerkstechnik vor allem viel Geduld erfordert, denn die Aufarbeitung nur eines Instruments dauert zum Teil Monate. Selbst hoffnungslos erscheinende Fälle erstrahlen und erklingen nach Wiederherstellung in alter Schönheit. Diese Erfahrung lässt die 32-Jährige nun in ihre eigenen, neuen Instrumente einfließen.

Partner Christoph Verstraeten hat sich früh für Kontrabässe begeistert. Größe, Statik und Klang erfordern bei der Fertigung allerdings eine andere Herangehensweise, als es im klassischen Geigenbau gelehrt wird. Schon während seiner Ausbildung hat sich Verstraeten intensiv damit auseinandergesetzt und hat nicht zuletzt deshalb seine berufliche Karriere in einer bekannten Kontrabass Werkstatt in Hessen begonnen. „Einen Kontrabass kann man nicht behandeln wie ein Cello oder eine Geige“, betont der 31-Jährige.

Die Flachsmarktbesucher dürfen gespannt darauf sein, was die beiden Experten an ihrem Stand präsentieren werden. Denn das hängt davon ab, was gerade auf ihrer Werkbank liegt. „Vielleicht schnitzen wir eine neue Schnecke, biegen einen Zargenkranz oder stechen die Wölbung von einem Celloboden“, verrät Christoph Verstraeten. Vielleicht werde man aber auch eine antike Geige retuschieren, so Judith Marie Huppertz. Wie auch immer – auf jeden Fall möchte das Paar die interessierten Gäste für das Handwerk, aber auch die Instrumente begeistern und alle Fragen der Gäste beanworten.

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