Früher Feuerstein, heute Zahnarztfräser

Maria Luise Becker übt das uralte Handwerk der Elfenbeinschnitzerei aus.

Maria Luise Becker aus Unterfranken war lange Zeit Fachkrankenschwester auf der chirurgischen Intensivstation einer Universitätsklinik. Mit 50 Jahren beschloss sie, sich „nun mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen“. Sie wählte eine Ausbildung zur Holzbildhauerin und Elfenbeinschnitzerin. Ich habe mein Handwerk in Michelstadt im Odenwald erlernt, der einzigen Schule in ganz Europa, die diesen Beruf heute noch vermittelt“, erzählt sie.

Das Handwerk ist uralt. Schon in der Steinzeit haben kreative Menschen Mammut-Elfenbein durch Schnitzen, Schaben, Bohren und Ritzen verarbeitet. Es entstanden Skulpturen, Reliefs und Ornamente. „Die älteste Figur, die Venus von Hohenfels, ist vielleicht 40.000 Jahre alt und aus Mammut-Elfenbein“, so Maria Luise Becker. An der Technik habe sich nicht viel verändert, allerdings an den Werkzeugen. „Früher hat man den Feuerstein benutzt. Heute arbeite ich unter anderem mit einem Zahnarztfräser und der Drechselmaschine und verwende Schleifpapier und Polierwachs.

Auch die Materialien haben sich verändert. Natürlich verwendet sie kein echtes bzw. neues Elfenbein. „Nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen von 1989 zur Eindämmung der Dezimierung von Elefant, Walross, Pottwal, Narwal und Nilpferd konnten Alternativmaterialien  gefunden werden und so die Schnitzkunst weiter erhalten bleiben.“ Heute dürften gefundene Zähne vom Mammut aus der Permafrostregion von Sibirien und Alaska, Edelbein (der polierte Knochen vom argentinischen Rind), Rehbockgehörn und Hirschgeweih sowie die Tagua-Nuss als „pflanzliches Elfenbein“ ohne Lizenz verarbeitet werden. Der auch Steinnuss genannte Palmensamen stammt aus Südamerika und wird schon lange in der Schmuckherstellung genutzt.

Eine Faszination ihrer Arbeit liegt für Marie Luise Becker an der unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheit der Materialien, die nach der Bearbeitung erst richtig zu Geltung kommt. Lange Tradition und moderne Gestaltung kommen hier zusammen: „Ich kann Kunstwerke im zeitgenössischen Design herstellen.“ Witzig ist zum Beispiel ein kleiner VW Käfer, der aus geschmolzenem Eis hervorlugt. Solche Dinge wird sie auf dem Flachsmarkt präsentieren. Auch  Schnitzvorführungen sind selbstverständlich geplant. „Die Besucherinnen und Besucher lernen meine Materialien kennen, sehen meine Spezialwerkzeuge und können die einzelnen Arbeitsschritte zur Herstellung eines Schmuckanhängers verfolgen. Während sie mir beim Fräsen zusehen, können sie mir gerne Fragen stellen.“

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